Das Hotel Total in Aachen war 2016 eine kreative und multifunktionale Zwischennutzung der leerstehenden Kirche St. Elisabeth Kirche. Initiiert wurde das Projekt von Patricia Yasmine Graf, Julia Claire Graf und Anke Didier, die ihre Vision eines offenen und urbanen Raums für Kunst, Kultur und Leben mit der dreimonatigen Zwischennutzung von August bis Oktober 2016 realisiert haben. Die Zwischennutzung als Hotel und Kulturort mit über 10.000 Besucher:innen und rund 60 Veranstaltungen war der Höhepunkt des 15-monatigen und über den Forschungs- und Entwicklungsprogramms CreateMedia.NRW geförderten Entwicklungsprojektes „Hotal Total“. Das Jahr vor der Zwischennutzung wurde vom Team genutzt, um die Kirche mit Studierenden, arbeitslosen Menschen, Menschen mit Fluchterfahrung und vielen anderen Ehrenamtlichen herzurichten und Prozesse zu initiieren und Kooperationen einzugehen, um in dem sozial schwachen Nordviertel im Stadtbezirk Aachen-Mitte einen Willkommensort zu schaffen, die lokale Ökonomie zu stärken und internationale Reisende zu empfangen.
Da im Hotel Total für die Gründung einer GmbH nicht genügend Eigenkapital aufgebracht werden konnte, haben die drei Initiatorinnen eine UG gegründet.
Beim Projekt des Hotel Total gab es keine Nutzungskonflikte. Alle Bewohner:innen des Stadtteils wurden eingeladen und versucht zu integrieren, was dazu führte, dass ein Austausch mit vielen unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen stattfinden konnte. So gab es zum Beispiel Multi-Kulti-Picknicks mit und für den Stadtteil. Die Türen des Hotel Total standen möglichst immer offen und wurde durch Veranstaltungen und Bewirtung belegt. Dieser Ansatz erforderte jedoch auch eine Herausforderung bei der Koordination und Organisation, die viel Zeit und Professionalität erforderten. Durch den erfolgreichen Anlauf des Projekts sind viele intrinsisch motivierte Initiativen auf das Netzwerk zugekommen, wodurch eine lokale Vernetzung stattgefunden hat.
Das Bistum als damalige Eigentümer des Kirchengebäude, in dem das Hotel Total gegründet wurde, hat vor der Zwischennutzung über mehrere Jahre erfolglos versucht das Gebäude zu verkaufen. Durch das Hotel Total haben sich laut Aussagen der Initiatorinnen bis zu 400 ehemalige Gemeindemitglieder für das Projekt interessiert. Durch die Nutzung sind zudem verschiedene Investor:innen auf das Gebäude aufmerksam geworden und noch vor seiner Eröffnung wurde die Kirche von der Landmarken AG gekauft, wobei sich parallel zum laufenden Projekt des Hotel Total das digitalHub Aachen gründete. Letzteres hat nach dem Hotel Total die Nutzung der Räumlichkeiten als digitalChurch übernommen: einem Treffpunkt und Co-Working Space für die digitalHub Community. Ein Vorteil dieser Nutzung ist, dass die Cubes, die Bar und die allgemeine Raumgestaltung weiterverwendet werden konnten.
Die drei Visionärinnen des Projektes Hotel Total sind auch Teil des seit 2005 bestehenden Netzwerkes Designmetropole Aachen. Das Netzwerk initiierte zahlreiche Design-Ausstellungen, Guerilla Marketing und auch diverse künstlerische Kooperationen mit der Stadt Aachen. Die Kreativen stellten sich im Verlauf der Jahre jedoch immer öfter die Frage, wie viele Produkte die Welt tatsächlich noch braucht, und ob es nicht sinnvoller wäre, Räume mit Ideen zu bespielen. Dies führte in den Jahren 2011 bis 2014 zu einem Umnutzungsprozess eines alten Straßenbahndepots der Stadt Aachen. Obwohl sich viele Mitglieder der Designmetropole Aachen ehrenamtlich sehr in den Prozess einbrachten, entwickelte sich das Depot letzendlich nicht zu dem Ort, den sich das Netzwerk gewünscht und vorgestellt hatte.
Der Prozess darum fungierte jedoch als Katalysator für das Konzept des Hotel Total: Die späteren Initiatorinnen des Hotel Total stellten innerhalb von nur acht Tagen einen CreateMedia.NRW Antrag und so konnten 15 Monate Projektlaufzeit gesichert werden, davon ein Jahr Vorlaufzeit und drei Monate Ausprobierzeit. Doch was war der ausschlaggebende Faktor bei der Entscheidung für das Kirchengebäude? Eine der Initiatorinnen, Patricia Yasmine Graf, wohnt im Stadtteil und hatte bereits vereinzelt Veranstaltungen in der Kirche begleitet, wodurch dieser für sie ein perfekter Ort für die Umsetzung der Utopie zu sein schien.
Um den Betrieb des Hotel Total zu ermöglichen, wurden verschiedene Maßnahmen umgesetzt: Zunächst musste ein Nutzungsänderungsantrag mithilfe von Architekt:innen gestellt werden. Außerdem war die Erstellung von Konzepten zum Brandschutz, für Fluchtwege sowie für sanitäre Anlagen notwendig. Eine weitere Maßnahme umfasste die Prüfung der Statik für die freistehenden Hotelzimmer-Würfel, in denen die Hotelgäste übernachten sollten. Nach Abschluss dieser Schritte wurde die Baugenehmigung innerhalb von drei Monaten erteilt. Dabei wurden 80% der Finanzierung der Gehälter über das EU-Förderprogramm EFRE getätigt, womit während der dreimonatigen Nutzung des Hotels drei Personen hauptamtlich beschäftigt werden konnten und weitere 8 Mitarbeiter:innen in Teilzeit oder auf Minijobbasis. Eine Teilfinanzierung in Form eines Eigenanteils der Förderung wurde in Form eines privaten Kredits beigesteuert, da das Gebäude große Herausforderungen mit sich brachte, wie die Heizkosten oder den Aufbau eines wirtschaftlichen Trägermodells.
Das Folgeprojekt der Hotel Total UG – das Café Total – entstand im Rahmen des Förderprojektes Shopping Lab Aachen. Die Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen hatte das Team des Hotel Total angefragt, ob sie in einem leerstehenden Kaufhaus ein Zukunftsforum für den lokalen Einzelhandel in Zeiten der Digitalisierung im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages entwickeln und kuratieren könnten. Hier fungierte das Hotel Total Team als Mittler zwischen Forschung und Bürger:innen. Der Raum wurde innerhalb von 3 Wochen instandgesetzt, und das Hotel Total Team entschied sich dazu auf eigenes wirtschaftliches Risiko parallel dazu und in den selben Räumlichkeiten das Pop-Up Cafe Total zu eröffnen. Für das Café Total wurde diesmal eine GBR gegründet, um alle Teile auch wirtschaftlich trennen zu können. Nach der Zwischennutzung wurde die GBR wieder aufgelöst. Über einen Zeitraum von 7 Monaten wurden im Café Total viele kulturelle Veranstaltungen durchgeführt – auch hier immer mit dem Gedanken einen neuen Begegnungort zu erschaffen: kulturübertgereifend, genreübergreifend und generationenübergreifend. Nach Auslaufen des Shopping Lab Aachen Projektes musste leider auch das Café Total aus der Location wieder ausziehen. Aktuell wird das Gebäude für eine neue kommerzielle Nutzung kernsaniert.
Aber mittlerweile ist schon das nächste Kreativ-Projekt im Aufbau. In der Mefferdatisstrasse (nur ein paar hundert Meter vom ehemaligen Café Total entfernt) hat die Stadt Aachen das Vorkaufsrecht der Verwaltung genutzt, um sowohl ein altes Parkhaus als auch mehrere Häuser wieder in städtischen Besitz zu bringen und hier das Aachener Büchel Viertel gemeinsam mit dem Bürger:innen zukunftstauglich zu gestalten. Das Parkhaus wird abgerissen und ein neue öffentliche Freifläche mit Grünanlage für alle Aachener:innen entsteht. In 4 angrenzenden leerstehenden Ladenlokalen wird ein neuer Begegnungort die „meffi.s“ entwickelt. Hier soll es demnächst Co-Working Spaces, Kreativateliers, Werkstätten, ein Viertelcafé und ein inklusives Theater geben. Dabei haben sich neben dem Hotel Total Team viele weitere Vereine, Initiativen und Stadtgestalter:innen zusammengetan und den Trägerverein „Hi, wir sind die Meffis! e.V.“ gegründet. Die Eröffnung ist für Mitte 2022 geplant. Mehr Infos gibt es unter: www.meffis.org