Vertikale Produktion: Manner in Wien

Urbane Industrie

Steckbrief

Wilhelminenstraße 6
1170 Wien
Typ Urbaner Produktion:
Lebensmittelbetrieb
Produkt:
Süßwaren
Gründung:
1890
Standort:
Stockwerkfabrik in gründerzeitlichem Quartier
Beschäftigte:
400
Nähere Informationen unter:

Joseph Manner & Comp AG

Die Manner AG ist ein Beispiel für vertikale Urbane Produktion, die eine platzsparende, emissionsarme und umfeldverträgliche Fertigungsweise ermöglicht. Die Fabrik befindet sich in Wien, im 17. Bezirk Ottakring, einem Gründerzeit- und Arbeiterstadtteil, in dem sich auch andere produzierende Unternehmen angesiedelt haben. Der Stadtteil ist mit dem deutschen Gebietstyp Mischgebiet vergleichbar, es dominiert die Wohnnutzung, wobei Produktion, Handel und Gastronomie ebenso eine wichtige Rolle spielen.

Manner – 1890 in Wien gegründet – hat, wie viele Unternehmen im letzten Jahrhundert, einen Großteil der Produktion aus Wien auf periphere Standorte ausgelagert, wo Arbeitskräfte und vor allem Fläche günstig zu haben waren. Im Jahr 2011 hatte Manner drei Produktionsstandorte, die auf ein oder zwei Standorte reduziert werden sollten. Es bestand die Überlegung, die Produktion ganz zum Standort Wolkersdorf zu verlagern und das Grundstück in Wien zu verkaufen. Die starke Verbindung der Firma zu Wien, die Vorteile Urbaner Produktion und die „langen Gesichter“ der MitarbeiterInnen bei der Nachricht, nach Wolkersdorf versetzt zu werden, führten jedoch zu der Entscheidung, den Standort in Oberösterreich zu schließen, die Schokoladenverarbeitung ganz nach Wolkersdorf zu verlagern und im Gegenzug die Mehlverarbeitung in Wien zu belassen, um die Fabrik dort grundlegend zu modernisieren und zu erweitern.

Modernisierung zur vertikalen Produktion

Bei der Neugestaltung der Fabrik nahm sich Manner ein Beispiel am Großkonzern Henkel, der die Produktion „auf den Kopf“ stellte und anstatt horizontal von links nach rechts einfach hochkant von oben nach unten arbeitet. In diesem Sinne wurde die neue Produktionsstruktur nicht als klassische Linienproduktion konzipiert, sondern konsequent von oben nach unten geplant. Jedes Stockwerk hat eine eigene Funktion, so werden jetzt beispielweise im obersten Stockwerk die Cremes aufbereitet, darunter stehen die Öfen, und noch weiter darunter wird in den Stockwerken verpackt und die Logistik abgewickelt. Dabei werden zwischen den Stockwerken keine Paletten bewegt, sondern nur die Produkte. Dies verkürzt Transport- und Laufwege, optimiert die Arbeitsabläufe und führt dadurch zu Effizienzgewinnen. So hat sich der Flächenverbrauch laut Produktions- und Technikvorstand Thomas Gratzer um rund 30 % reduziert.

Auch für die effiziente Nutzung der Energie bringen Standort und die Produktion Vorteile mit sich. Es hat sich nicht nur bewährt, die Öfen räumlich integriert in einer Etage angeordnet zu haben, um z. B. die Abwärme zwischen den Öfen zu nutzen, sondern auch um die Überschusswärme abzufangen und in das Fernwärmenetz einzuspeisen bzw. im Sommer durch Wärmetauscher umzuwandeln und zum Kühlen der Produktionsstätte zu verwenden. Bei einer, wie allgemein üblich, horizontalen Produktion hätten die Ofenanlagen „eingehaust“ werden müssen, um die Wärme effektiv abfangen zu können. Durch die „Ofenetage“ erübrigt sich dieser Schritt. Zudem ermöglicht der städtische Produktionsstandort eine deutlich effizientere Nutzung der überschüssigen Wärme als Fern- bzw. Nahwärme, im Gegensatz zu einem Standort fernab der Wohnbebauung.

Um die zwei gründerzeitlichen Vierkant-Höfe und die baulichen Erweiterung räumlich optimal zu nutzen, wurde eine Verladezone und eine Tiefgarage errichtet, wodurch der Platz des ehemaligen Parkplatzes in die Fabrik integriert werden konnte. Eine weitere platzsparende Maßnahme ist die Nutzung des aus feuerpolizeilichen Gründen gebauten Schachtes für zusätzliche Funktionen wie Belichtung und Transport größerer Maschinenteile.

Die Fabrik und die Nachbarschaft

In der Tiefgarage können AnwohnerInnen Parkplätze anmieten, wodurch im Gegenzug Parkplätze im Straßenraum abgebaut und Bäume gepflanzt werden. Der Zuspruch für die Parkplätze seitens der MitarbeiterInnen ist geringer als gedacht, da die meisten dank der städtischen Lage mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. dem Fahrrad zur Arbeit kommen.

Bei der Konzeption wurde auf die Verträglichkeit der Fabrik und deren Umbauphase für die Nachbarschaft geachtet. Das neukonzipierte Werk wurde gerade in Bezug auf Lärmemissionen sehr umfeldverträglich gebaut. Die gründerzeitliche Fassade der Blockbebauung dient als Schallschutz, und die Lüftungsanlagen sind alle nach innen gerichtet. Dass eine Produktion mit über 400 Beschäftigten nicht ganz ohne Beeinträchtigung einhergeht, zeigt sich jedoch schon allein durch die Lieferverkehre. Manner hat die Bevölkerung vor und während der Umbauphase intensiv informiert. Beschwerden, die es vor allem in der Bauphase vereinzelt gab, werden sehr ernst genommen. So gab es mehrere Informationsveranstaltungen und eine Notfallnummer. Ansonsten gibt es kaum Nutzungskonflikte zwischen AnwohnerInnen und  Produktion, auch weil die Nachbarschaft an Manner gewöhnt ist.

Unterstützungsstrukturen

Insbesondere bei Planung und Umsetzung der Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen erfuhr Manner Unterstützung durch die Stadt Wien. Die Stadtpolitik erkannte das Konzept der Urbanen Produktion als gesunde industrielle Basis der Stadt, vermittelte mit Akteuren und richtete wichtige Entscheidungen danach aus. Die Wirtschaftsagentur Wien war für das Unternehmen die zentrale Ansprechpartnerin für unterschiedliche Problemstellungen und organisierte und moderierte notwendige Gesprächsrunden. Kurzfristige wie langfristige Planungssicherheit durch die Stadt Wien ist für Manner von hoher Bedeutung. So musste die Kommune sicherstellen, dass die Nachhaltigkeit der Investitionen durch spätere Entscheidungen (z. B. für ein geändertes Verkehrskonzept) nicht gefährdet wird.

Weitere wichtige Kooperationspartner sind das Institut für Fertigungstechnik, das Institut für Automatisierungstechnik und die Fachhochschule mit passgenauem Angebot für die Qualifizierungsbedarfe von Manner (u. a. kann an der FH Lebensmitteltechnik studiert werden). Diese Institutionen bieten nicht nur projektbasierte Kooperationsmöglichkeiten, um die betrieblichen Strukturen und die Produktionsabläufe zu verbessern, sondern es werden auch Fachkräfte für den Betrieb ausgebildet und zur Verfügung gestellt.

Fazit

Die Manner AG zeigt, dass Produktion in der Stadt und im näheren Wohnumfeld gut funktionieren kann. Die Umstellung der Produktion auf die vertikale Produktionsweise und Zentralisierung in Wien bedeuten nicht nur Effizienzgewinne und ökologische Vorteile, sondern auch Imagegewinne für das Unternehmen. Auch die Nachbarschaft und die MitarbeiterInnen profitieren durch die Verträglichkeit zwischen Arbeitsort und Privatleben, niedrigem Pendleraufkommen und Beschäftigungspotenzial in der Stadt.

Autoren: Martina Brandt, Stefan Gärtner und Kerstin Meyer, Institut Arbeit und Technik

Quellen

Gespräch am 20.07.2017 mit Albin Hahn & Thomas Gratzer bei Manner in Wien-Ottakring.