Blaupause für den ländlichen Raum - Urbane Produktion in Kleinstädten
Gemeinschaftswerkstatt, QuartierSteckbrief
James-Loeb-Straße 11
82418 Murnau a. Staffelsee
Instrumente zur Schaffung von Rahmenbedingungen: Regionalmanagement durch landeseigene Entwicklungsgesellschaft zur Reindustrialisierung und Schaffung eines urbanen Stadtteils
Quartierstyp: Murnau ist eine Kleinstadt im bayerischen Alpenvorland, ländlich geprägt und touristisch
Beteiligte Akteure (Initiatoren): Markt Murnau am Staffelsee, Wirtschaftsförderung in Murnau und Umgebung e.V., Private Unternehmen, Vereine, Schulen
Förderung: Partnerschaft Kommune-Wirtschaft-Ehrenamt
Kontakt:
info@makerlab-murnau.de
https://www.innovationsquartier.com
InnovationsQuartier Murnau
Die Marktgemeinde Murnau liegt im bayerischen Alpenvorland, ca. 70 km südlich von München, unweit der Grenze zu Österreich. Die Gemeinde hat ca.12.000 EinwohnerInnen und ist eine wachsende Gemeinde mit einem positiven Wanderungssaldo, wachsenden Zahlen an Erwerbstätigen und eingenommener Gewerbegrundsteuer sowie sinkender Arbeitslosenquote. Murnaus wichtigsten Wirtschaftszweige sind der Tourismus und das Gesundheitswesen.
Die Gemeinde ist bemüht die Entwicklung proaktiv zu gestalten, denn trotz der positiven Bilanz zeigen sich schon heute Probleme, welche sich ohne Eingreifen in der Zukunft verschärfen werden. Als problematisch wird insbesondere die monostrukturelle Ausrichtung der Wirtschaft auf den Tourismus und das Gesundheitswesen eingeschätzt. Außerdem ist Murnau stark von demographischer Überalterung betroffen – die Gemeinde ist beliebt bei älteren Menschen, jüngere hingegen verlassen die Gemeinde in Richtung großer Städte und besserer Berufschancen.
Entstehungsgeschichte des Innovationsquartiers
Das Innovationsquartier (IQ) wurde Ende 2015 vom Gemeinderat als gewerbliche Zwischennutzung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in einem ehemaligen Gemeindekrankenhaus beschlossen. Im IQ werden kostengünstig Räume an Unternehmen, Start-Ups u.A. vermietet. Ziel ist es die lokale Wirtschaft zu diversifizieren, Talente zu fördern, Jung und Alt zusammen zu bringen, Innovationsmotor der Region zu werden und diese somit attraktiv für junge Menschen und junge Unternehmen zu machen sowie Fachkräfte anzuziehen und zu halten. Der ursprüngliche Plan der Bereitstellung von kostengünstigem Wohnraum für Geflüchtete konnte auf Grund von landespolitischen Vorgaben in der Praxis nicht umgesetzt werden.
Das IQ wurde 2017 eröffnet, im gleichen Jahr wurde vom Gemeinderat die dauerhafte Nutzung für die Kultur- und Kreativwirtschaft beschlossen, im gleichen Zuge die medizinische Wiedernutzung des Gebäudes ausgeschlossen.
Das IQ bietet heute Raum für verschiedene Unternehmen v.a. aus der Kultur- und Kreativwirtschaft – wie bspw. Designer, Modeschaffende – aber auch aus dem sozialen Bereich, wie eine Kita oder Betreuungsangebote für SeniorInnen. Firmen und Start-ups haben sich z.T. im IQ gegründet, andere lokale Unternehmen sind aufgrund der guten Bedingungen ins IQ gezogen – manche sogar wieder in die Region zurückgekehrt. Neben den Geschäftsräumen der Unternehmen bietet das IQ Tagungsräume und Co-Working-Spaces, die nach Bedarf gebucht werden können, außerdem findet hier eine Gründungsberatung statt. Zusätzliche Einrichtungen sind eine Kantine und Kinderbetreuung sowie das MakerLab, welches von einem Verein (MakerLab e.V.) getragen wird.
Das MakerLab hat heute ca. 100 Mitglieder und kooperiert mit fünf Firmen und den lokalen Schulen. Es bietet eine offene Hightech-Werkstatt inklusive einer Elektronikwerkstatt, einem Laser-Cutter, 3D-Druck, einer Mechanik-, Holz-, Siebdruck- und Medienwerkstatt sowie einer Nähproduktion. Gestaffelte Mitgliederbeiträge (Jugendliche, Erwachsene, Firmen) finanzieren den Betrieb, die Gemeinde trägt die Mietkosten.
Hauptakteure
- Kommune Murnau am Staffelsee
- Verein für Wirtschaftsförderung in Murnau und Umgebung e.V.
- Private Unternehmen (Kern Microtechnik GmbH, Werk 11 GmbH, Anton Echter GmbH&Co. KG)
- MakerLab e.V.
Maßnahmen
Die Gemeinde Murnau und die Wirtschaftsförderung haben mit dem Innovationsquartier einen Ort zur Verfügung gestellt, in dem die Wirtschaft innovativ gefördert und Zusammenarbeit ermöglicht wird.
Möglich wurde das durch die Bereitstellung des ehemaligen Gemeindekrankenhauses, das seit 2017 (auf Zeit) für keine andere Nutzung als die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft zur Verfügung steht. Die Selbstständigkeit für Start-Ups oder GründerInnen innovativer Firmen wird durch günstige Raummieten, flexible Mietverträge und Beratungsleistungen im IQ unterstützt.
Moderne Konzepte wie Co-Working-Räume oder Kinderbetreuung soll v.a. junge Menschen ansprechen, deren Lebens- und Arbeitsmodelle flexibler sind.
Eine weitere wesentliche Maßnahme ist der Ausbau von Breitbandnetz oder grundsätzlich die Digitalisierung vor Ort. V.a. ländliche Gemeinden sind häufig schlechter versorgt und werden auch deswegen wirtschaftlich abgehängt. Eine funktionierende digitale Infrastruktur ist wesentlich für den Erfolg des Projektes.
Erfolgsbausteine
Das Innovationsquartier ist ein erfolgreiches Leuchtturmprojekt und besonders interessant, da es viele Konzepte, die im urbanen Raum gelebt werden, auf den ländlichen Raum überträgt. Es zeigt, dass es auch dort einen Bedarf für innovative, flexible Angebote gibt, da diese im Innovationsquartier gut angenommen werden.
Wesentlich für den Erfolg ist die Vision der Gemeinde und der lokalen Wirtschaft, die in Kooperation mit Engagierten, z.T. Ehrenamtlich Arbeitenden (z.B. im MakerLab), umgesetzt wird.
Der Fokus auf die Kultur- und Kreativwirtschaft zieht vor allem junge Menschen an – dadurch kann nicht nur die Wirtschaft diversifiziert, sondern auch der demografischen Entwicklung der Gemeinde entgegengetreten werden. Hervorzuheben ist dabei, dass gesamtheitlich an das Problem der demografischen Überalterung herangegangen wird (in dem Maße, in dem wirtschaftliche Unternehmen das eben können): nicht nur die Gründung von Unternehmen wird unterstützt, sondern auch Angebote für Jugendliche werden geschaffen, zum einen durch offene Angebote wie dem MakerLab zum anderen dadurch, dass die Unternehmen im IQ verpflichtet sind regelmäßig PraktikantInnen aufzunehmen. So werden die aktuellen, aber auch die zukünftigen Fachkräfte stärker gefördert und in die Gemeinde eingebunden.
Diese genannte Kooperation mit lokalen Schulen ist auch ein Beispiel dafür, dass das innovationsquartier in die Stadt und darüber hinaus Entwicklungen vorantreibt. Neben dem noch etwas abstrakten Hoffnung durch die Förderung junger Menschen vor Ort, auch deren Identifizierung mit und Engagement für die Stadt und die Region zu fördern, lässt sich ganz konkret feststellen, dass es über das Innovationsquartier hinaus Impulse in die Stadt gibt, z.B. wurde ein leerstehendes Ladenlokal am Markt zeitweise mit dem Pop-up-store „Murnaufaktur“ gefüllt.
Der Erfolg des Innovationsquartiers zeigt sich auch darin, dass Murnau ein wichtiger Ankerpunkt für Unternehmen und GründerInnen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen geworden ist.
Autorin: Theresa Heitmann, Institut Arbeit und Technik (24.07.2019)
Quellen
BBSR (2015): Wachsen und Schrumpfen von Städten und Gemeinden. Abgerufen von https://gis.uba.de/maps/resources/apps/bbsr/index.html?lang=de
InnovationsQuartier Murnau (2019): Innovationsquartier Murnau. Zentrum für Wirtschaft und Arbeit. Abgerufen von https://www.innovationsquartier.com/
Marktbote (2017): Das InnovationsQuartier Murnau. Abgerufen von https://www.murnau.de/media/files/download_files/2017-04/Marktbote-Sonderausgabe-April-2017.pdf
Marktbote (2017): Beschlüsse zum IQ. Abgerufen von https://www.murnau.de/media/files/download_files/2018-05/Marktbote_36-2018.pdf
Stadt Murnau (2015): Gemeinderatsbeschluss Ehemaliges Krankenhaus. Abgerufen von https://www.murnau.de/de/aktuelles-footer/d/gemeinderatsbeschluss-ehemaliges-krankenhaus-2015.html
Bilder abgerufen von https://www.innovationsquartier.com/