Salatproduktion in 33 m Tiefe

Urbane Landwirtschaft

Steckbrief

1a Carpenter’s Place
Clapham
SW47TD
London, UK

Typ Urbaner Produktion: Urbane Landwirtschaft – Lebensmittelbetrieb

Produkte: Salate

Gründung: 2013

Standort: 33 m unter der Erde in ehemaligen Bunker, High Street, metropolitanes Quartier

Beschäftigte: 25

Kontakt: pr@growing-underground.com
Tel.: 0207 627 1027

Website: http://growing-underground.com/

Growing Underground

Ideenentwicklung

Die ersten Ideen für Growing Underground entstanden 2008 als einer der Gründer seinen damaligen Job durch die Finanzkrise verloren hatte, sich in einer Art Midlifecrisis befand und daraufhin nach London zog. Dort traf er zufällig auf einen alten Bekannten und bei einigen Kneipenabenden entwickelten sie ein Konzept für Urbane Landwirtschaft in London.

Produkt

Der Salatmix aus Broccoli, Knoblauch, etc. wird auf upgecycleten Teppichresten, die als Substrat dienen, gezüchtet, die danach verbrannt werden, da die Wurzeln die Substrate stark durchwachsen

Ort

Die ersten Überlegungen, leerstehende Hochhäuser für Urbane Landwirtschaft zu nutzen, stellte sich aufgrund des hohen logistischen Aufwands und der fehlenden Leerstände schnell als unrealistisch heraus. So wuchs die Idee leerstehende Bunker und U-Bahn-Tunnel zu nutzen, die einer der Gründer durch seine filmische Ausbildung kennenlernen durfte. Letztendlich fiel die Wahl auf einen Bunker der Londoner U-Bahn an der Clapham High Street. Die Vorteile des 180 Stufen tiefliegenden Bunkers waren, dass die Temperatur durchgängig bei 15°C liegt, viel Fläche verfügbar war, die für nichts Anderes genutzt werden kann sowie eine Infrastruktur (Strom, Aufzug, Wasser) vorhanden war, die von der Eigentümerin „Transport for London“ (TFL) instandgesetzt wurde. Im „Keller“ des Tunnels befinden sich zudem Wassertanks und eine Wasseraufbereitungsanlage, um das Wasser mehrfach zur Bewässerung zu verwenden.

Derzeit werden 20% der Fläche genutzt (=ca. 1.200 qm, inkl. 50 qm Büro). Eine Vergrößerung ist geplant, jedoch nicht stark möglich, da es nur einen Aufzug gibt über den die Produkte an- und abgeliefert werden können. Bislang fließen noch viele Gelder von Growing Underground in Forschung und Entwicklung. Werden dadurch langfristig die Kosten gedeckt oder Gewinne erwirtschaftet, ist eine Ausdehnung auf andere Keller denkbar, z. B. in Kellern unter Supermärkten, um so direkte kurze Wege von der Produktion zur Konsumption zu haben.

Der Zugang zum Bunker liegt fünf Minuten fußläufig entfernt von der U-Bahn-Station „Clapham Common“ in einer High-Street, d.h. es befinden sich viele Läden, Firmen und Wohnbebauung in direkter Umgebung.

Unterstützung

Zur Entwicklung des Prototyps haben die beiden Gründer zunächst neben ihren Vollzeitjobs in einem kleineren U-Bahn-Schacht gearbeitet und nebenbei nach Förderungen und Finanzierungsmöglichkeiten gesucht. Die Startfinanzierung übernahmen Friends, Family und Fouls (FFF). Durch eine Crowdfunding-Kampagne kam das Geld für die Weiterentwicklung im jetzigen U-Bahn-Schacht zusammen. Langfristig ist Crowdfunding und Crowdinvesting jedoch schwierig, da die InvestorInnen jeweils andere Ansprüche an das Unternehmen haben – unabhängig vom Betrag der gezahlt wurde. TFR stellte sich als entgegenkommende Vermieterin heraus, die Miete des Bunkers ist zudem äußerst günstig mit 6 Pfund (ca. 6,70 €)/qm (im Vergleich liegt der Mietpreis für Gewerbeimmobilien bei etwa 60 Pfund/qm). Erst jüngst hat ein amerikanisches Unternehmen 5 Mio. Pfund investiert, um die Vergrößerung nun vorantreiben zu können. Außerdem wurden die Produkte auf dem lokalen Markt getestet und in Restaurants vertrieben, wobei ein Sternekoch bei der Entwicklung und Kontaktvermittlung behilflich war.

Finanzierung

Touren durch Growing Underground werden zweimal wöchentlich angeboten, mit bis zu max. 16 Personen à 39 Pfund. Der Salat wird an Restaurants verkauft und seit neustem auch bei Tesco, Waitrose, M&S und Ocado in ganz UK vertrieben. Die Logistik wird mit PKWs und Kleintransportern gemacht, langfristig soll dies aber mit E-Autos geschehen.

Wertschöpfungskette

Die Samen kommen von CNCSeeds aus Cambridge. Die Cambridge University untersucht und unterstützt die Entwicklung der Plantage, z.B. durch die Überwachung von Temperatur und Feuchtigkeit mittels Sensoren.

Mitarbeiter und Organisation

Derzeit hat Growing Underground 25 Mitarbeitende, wovon acht im Landwirtschaftsbetrieb als einfache Arbeitskräfte eingelernt werden, um den Salat zu ernten und zu verpacken. Zwei „Grower“ sind für die optimalen Rahmenbedingungen und Schichtführung von 7 bis16 Uhr verantwortlich. Die restlichen Beschäftigten sind derzeit in den Bereichen Fundraising, Marketing, Buchhaltung, Forschung, Entwicklung und Vertrieb tätig. Die Arbeitszeiten dort sind von 9 bis 17Uhr.

Nachhaltigkeit

Für Growing Underground spielt Nachhaltigkeit eine sehr große Rolle, dennoch ist der CO2-Fußabdruck derzeit noch zu hoch.

  • Teppichupcycling/-recycling als Substrat, kein Bio-Zertifikat, da keine Erde zum Anpflanzen genutzt wird.
  • Wasser zum Bewässern der Pflanzen wird wieder aufgefangen und mehrfach verwendet
  • Ökostrom für Licht im Nachtzyklus (Energie als hoher Kostenfaktor, daher werden Nachttarife genutzt)
  • LED’s: unterschiedliches Licht führt zu unterschiedlichen Geschmack der Salate
  • Plastikverpackung ist derzeit das nachhaltigste und konsumfreundlichste, da so die Salate frisch bleiben und länger im Sortiment sein können. Naturplastik wird kritisch gesehen, da dadurch Anbaufläche für Lebensmittel verloren geht. Lebensmittelhändler sind weiterhin nicht einfach von der Einführung von Pfandsysteme zu überzeugen.

Autorin: Kerstin Meyer, Institut Arbeit und Technik (06.06.2019)

Quellen

Persönliches Gespräch und Informationen durch Growing Underground Tour am 09.05.2019