Aquaponikfarm Ferme Abattoir - Fisch und Gemüse vom Dach

Urbane Landwirtschaft

Steckbrief

Foodmet, Site Abattoir, Quai de l’industrie 168
Rue Ropsy-Chaudron 24
1070 Brussels

 

Typ Urbaner Produktion: Lebensmittelbetrieb

Produkte: Fisch, Cherrytomaten und Kräuter

Gründung: 2018

Beschäftigte: 5

Standort: Dach einer Markthalle (ehemaliger Schlachthof)

Nähere Informationen unter:
www.bigh.farm

 

Dachgarten und Fischzucht
© BIGH / Isopix

 

Ferme Abattoir von BIGH Farms

Ausgangslage im Stadtteil

Die Aquaponik-Farm „Ferme Abattoir“ ist die erste Farm der BIGH Holding SCA und befindet sich seit 2018 auf dem Markthallendach des Abattoir-Komplexes, eines traditionsreichen Schlachthofes in Brüssel-Anderlecht. Das Areal ist von einem Kanal sowie von einem mischgenutzten Wohngebiet umschlossen, wobei die Farm dem Wohngebiet benachbart ist.

2015 etablierte die Regierung der Brüsseler-Hauptstadt Region den „Canal Plan“, bei dem unterschiedliche integrierte Stadtentwicklungsprojekte entlang des Flusses – also quer durch die Stadt – initiiert und unterstützt werden1. Um Lebensqualität und Arbeitsplätze in der Stadt zu sichern, wurde in diesem Kontext schon 2009 ein Masterplan für das Gelände des Abattoirs erstellt, der den Schlachthof erhält und eine neue Markthalle, Urban Farming, Events und Wohnen miteinschließt2.

Die Bevölkerung von Anderlecht ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts stetig gewachsen, von 2005 bis 2015 sogar um knapp 25 % auf über 115.000 EinwohnerInnen. Sie ist im Vergleich zur gesamten Metropolregion verhältnismäßig jung und im Osten, wo die Ferme Abattoir liegt, ist der Anteil ausländischer BewohnerInnen insbesondere aus afrikanischen Staaten und den neuen EU-Ländern überdurchschnittlich hoch. In diesem Stadtgebiet ist Sozialwohnraum verstärkt vorhanden, weshalb das Einkommensniveau niedriger und die Erwerbslosenquote höher ist als in gesamt Brüssel3.

Aquaponik als professionelle Urbane Landwirtschaft4

Aquaponikanlagen verbinden Fischzucht und Gemüseanbau in einem zusammenhängenden System. Die Fische werden in Becken großgezogen, in deren Wasser sich durch die Ausscheidungen der Tiere Nährstoffe anreichern. Diese Nährstoffe werden dann den angebauten Pflanzen als Dünger zugebracht, das gefilterte Wasser kann als ‚Frischwasser‘ zurück zu den Fischen. Die Pflanzen werden in Hydroponik-Anlagen in Gewächshäusern ohne Erdreich bzw. in Substrat kultiviert, beispielsweise werden in der Ferme Abattoir die Tomaten auf einer Masse aus Kompost und anderen natürlichen Materialien herangezüchtet.

Dieser symbiotische Kreislauf hat einige ökologische Vorteile: Durch das geschlossene System und die permanente Kontrolle kann der Einsatz von Pestiziden und Antibiotika vermieden werden. Die Produktion ist effizient und schnell und kann einen geringeren Energie- und Wasserverbrauch als konventionelle Landwirtschaft sowie kaum Abwasser vorweisen. Weiter gibt es kaum Emissionen (die z.B. zur Überdüngung von Gewässern führen würden) und die Anlagen können an unterschiedliche Umweltbedingungen und Orte angepasst werden. Nachteile sind die Kosten, das empfindliche Ökosystem und die daraus resultierende andauernde Kontrolle der Parameter. Zudem können nur bestimmte Fisch- und Pflanzenarten gezüchtet und angebaut werden.

Gründung und Betrieb4

Nach etwas mehr als einem Jahr Vorbereitungszeit konnte die Ferme Abattoir im Jahr 2018 in den Betrieb starten. Auf circa 4000 m² Fläche befinden sich Gewächshäuser, ein großer Außengarten sowie die Fischfarm. Die Firma BIGH (Building Integrated Greenhouses) wurde 2015 gegründet und hat zum Ziel, urbane Farmen zu betreiben, die weitestgehend dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft und Zero Waste entsprechen und mit den umliegenden Gebäuden symbiotisch gedacht und geplant werden (z.B. durch Nutzung der Abwärme).

BIGH wird finanziert von privaten sowie von öffentlichen InvestorInnen, allen voran das auf Kreislaufwirtschaft spezialisierte Architektenbüro Lateral Thinking Factory. Die Firma agiert unabhängig von Förderungen und Subventionen. Für die Finanzierung wurde von den InvestorInnen eigens die BIGH Holding SCA gegründet und zusätzlich ein Kredit aufgenommen. Die Farm arbeitet zusammen mit professionellen PartnerInnen, die bereits Expertise im Feld der Lebensmittelproduktion vorweise können. So ist das Aquaponik-System von dem Unternehmen ECF Farmsystems (Link: http://www.ecf-farm.de/) gebaut worden, das in Berlin bereits eine urbane Aquaponik-Farm betreibt.

Die Ferme Abattoir produziert im Jahr circa 35 Tonnen Fisch, 15 Tonnen Tomaten, 120.000 Schalen mit Keimpflanzen wie z.B. Kresse und wöchentlich 2.700 Töpfe mit Kräutern. Verkauft werden diese über Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte oder an Restaurants und Catering Services.

Ökologische und soziale Wirkung in der Stadt4

Die Position der Farm auf dem Dach einer Markthalle hat mehrere entscheidende Vorteile: Zum einen wird die Fläche im Sinne der Nachverdichtung unternehmerisch genutzt (die Ferme Abattoir zahlt Miete), außerdem kann sie durch den großen Außengarten ebenfalls als Grünfläche gesehen werden und ist ein Rückzugsort für Insekten und andere Tiere. Zum anderen dient die Dachnutzung zur Dämmung, die Abwärme der Kühlschränke in der Markthalle und im Schlachthof fließt durch Wärmepumpen in die Temperaturregelung der Gewächshäuser mit ein, was eine ganzjährige Produktion ermöglicht.

Durch die Ferme Abattoir konnten neue Jobs geschaffen werden (bisher 5 Vollzeitäquivalente), die an Menschen aus dem Quartier vergeben wurden. Dabei kooperiert die Farm mit zwei Sozialunternehmen vor Ort, die Berufsfortbildungen anbieten. Zudem setzt BIGH sich als Leuchtturmprojekt für eine bessere Wahrnehmung und Wertschätzung des stigmatisierten Stadtteils Anderlecht ein.

Zukünftiges Netzwerk4

Bei einer Farm in Brüssel soll es nicht bleiben. BIGH ist in den großen Städten Europas auf der Suche nach weiteren Flächen über 2500 qm, nach PartnerInnen und InvestorInnen. Ziel ist es, ein Netzwerk von Urbanen Farmen in Europa zu etablieren, um das Prinzip der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.

Bei Interesse kann man die Firma hier kontaktieren.

Autorin: Sophia Schambelon, Institut Arbeit und Technik, 15.07.2019

 

Quellen:

1Urban Development Corporation (2019): The Canal Plan. Abgerufen von https://canal.brussels/en/canal-plan

2Abattoir (2019): Masterplan. Abgerufen von http://www.abattoir.be/en/masterplan

3Institut Bruxellois de statistique (2016): Zoom sur ANDERLECHT. Abgerufen von http://statistics.brussels/files/publications/bru19/anderlecht_fr.pdf

4BIGH (2019): FAQ. Abgerufen von https://bigh.farm/faq/

Bilder abgerufen von https://bigh.farm