Bäckerei Zipper GmbH - Umnutzung einer Kirche zur Backstube und Kaffeerösterei
Steckbrief
Cranger Str. 338, Gelsenkirchen 45891
Typ Urbaner Produktion: Handwerk
Produkte: traditionelle Backwaren
Gründung: 1995
Rechtsform: Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Beschäftigte: 90
Standort: ehem. Kirche St. Bonifatius in einem Mischgebiet im Stadtteil Gelsenkirchen-Erle
Kontakt: info@baeckerei-zipper.de,
Tel.: 0209-9775929
Website: http://www.baeckerei-zipper.de/
Ausgangslage im Stadtteil
Der Unternehmer Christian Zipper unterhält in Gelsenkirchen, Bottrop und Recklinghausen insgesamt acht Verkaufsstellen für die Backwaren des familiengeführten Backerei-Unternehmens, die in Gelsenkirchen an der Cranger Straße 350 auf einer Fläche von 250 qm produziert werden.1 Die gesamte Verkaufsfläche des Unternehmens beträgt dabei etwa 12.000 qm.
Zuletzt konnte in Gelsenkirchen-Erle das Gelände der St. Bonifatius Kirche entgegen der ursprünglichen Pläne der Errichtung eines Lebensmittel-Discounters durch Zipper gekauft werden. Das 5.000 qm umfassende Gelände der Kirche an der Hauptstraße des Stadtteils umfasst das nicht-denkmalgeschützte Kirchengebäude sowie das Pfarr-, Gemeinde- und Küsterhaus. Bisher konnte bereits das Gemeindehaus saniert werden. Zudem wurde vor der Kirche eine Verkaufsstelle mit Café für die in der Produktionsstätte Cranger Straße produzierten Backwaren eingerichtet. Die Geschäftsleitung ist bereits in die Räumlichkeiten des Pfarrhauses umgezogen. Bis zu den finanziellen Einbußen im Rahmen der Covid-19-Pandemie war es Ziel, die Produktion von der Cranger Straße in das Kirchengebäude zu verlagern2 und damit zu vergrößern. Im Jahr 2017 wurden dafür die ersten Umbaumaßnahmen in der seit 2007 leerstehenden Kirche umgesetzt.3
Historie und Geschäftsbereiche
Nach der Gründung und Übernahme einer leerstehenden Bäckerei in Erle im Jahr 1995, welche fast ausschließlich durch Fremdkapital gestemmt wurde, hat sich die Bäckerei Zipper zu einem etablierten Unternehmen im Raum Gelsenkirchen, Bottrop und Recklinghausen entwickelt. So sind ca. 90 Mitarbeiter*innen für die acht Ladengeschäfte3 tätig. Davon sind zehn als Aushilfen und zwei Auszubildende beschäftigt; der Rest ist in Vollzeit angestellt. 15 Mitarbeiter*innen arbeiten in der Produktion. Zudem gehören eine betriebseigene Rösterei sowie eine Eventlocation zum Betrieb, die in den Räumlichkeiten des Gemeindehauses untergebracht sind.
Die Standorte in Gelsenkirchen befinden sich in: Hafen Bismarck, Bonifatius, Gelsenkirchen Erle, Gelsenkirchen Berger Feld, Lückshof und Gelsenkirchen Resse.4
Erfolgsbausteine
Das Unternehmen Zipper setzt auf traditionelle Handwerkskunst in Verbindung mit dem Ziel, die Waren in ihrem Einzugsgebiet einer möglichst großen Zahl von Menschen zugänglich zu machen. Zudem bietet der hauseigene Röstereibetrieb den Kund*innen die Möglichkeit, hochwertigen fair gehandelten Kaffee, der gegenüber der industriellen Produktion im schonenderen Trommelröstverfahren geröstet wird, in den zugehörigen Cafés der Bäckereiverkaufsstellen zu genießen.5
Auch für die Gemeinschaft und das Thema Nachhaltigkeit setzt sich das Unternehmen ein. Unverkaufte Waren, die im Durchschnitt ca. 15 % des Hergestellten betragen, werden an die Tafel gespendet oder für die Herstellung von Tiernahrung verwendet. In Kooperation mit der innogy, der Energieagentur.NRW und der Kraftwerk Solutions GmbH investierte das Unternehmen an der Bonifatius-Kirche in eine Photovoltaik-, Wärmepumpen- und Eisspeicheranlage, die dem Gebäude eine hohe Energieeffizienz verleiht – Beheizung und Kühlung der Filiale werden durch die Sonnenenergie gewährleistet. Dafür erhielt die Bäckerei Zipper im Jahr 2018 den Deutschen Solarpreis.6
Herausforderungen
Da die Kaufkraft des Viertels aufgrund der demographischen und sozioökonomischen Entwicklung zurückgeht, hat das Unternehmen mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Zusätzlich sorgten auch die Schließungen der Cafés im Frühjahr 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie für starke Umsatzeinbrüche. Zusätzlich geht auch der allgemeine Strukturwandel des Bäckereihandwerkes an der Firma Zipper nicht spurlos vorbei: die geringere Wertschätzung für Lebensmittel, die Veränderung der Lebensstils hin zu mehr „Take away-Essen“ – anstelle von Abendbrot, die kostenintensivere Produktion sowie die Konkurrenz durch Discount-Backwaren sind als Treiber mitverantwortliche für den sich fortsetzenden Rückgang der Backbetriebe.
Weiterhin ist das Unternehmen durch infrastrukturelle Probleme an der Produktionsstätte herausgefordert. Aufgrund der eingeführten Maut werden die Transportmittel der Speditionen immer größer, was die Anlieferungsprozesse in der mischgenutzten Immobilie erschwert, und ein Entladen häufig nur noch auf der Straße stattfinden kann – vor allem, wenn zusätzlich noch Straßenbahnverkehr in unmittelbarer Umgebung stattfindet.
Die sich verstärkenden sozioökonomisch bedingten Problemlagen in Erle führen zudem auch zu sichtbaren Veränderungen der Umgebung. So ist u.a. Vandalismus vermehrt zu beobachten.
Fazit
Die Bäckerei Zipper stellt sich dem Trend der Erosion des traditionellen Bäckereihandwerks durch eine Kombination eines zentralisierten, modernen Produktionsverfahren mit dem lokalen Filialbetrieb im Quartier entgegen. Somit stammen alle Produkte, die in den Verkaufsstellen angeboten werden – auch der Röstkaffee – aus der Hand des Unternehmens. Darüber hinaus war das Ziel der Expansion des Unternehmens mit Aspekten der Nachhaltigkeit verbunden: Leergefallene Gebäude, wie die Bauten der St. Bonifatius Kirche, sollten umgebaut und ungenutzt werden, sodass Ressourcen geschont und Identifikationspotenziale des Quartiers erhalten bleiben. Eine autarke Energieversorgung der Filiale an der Bonifatius-Kirche vereint unternehmerische Verantwortung zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit Marketing-Aspekten. Trotz der Herausforderungen, mit welchen das Bäckereihandwerk in der Covid-19-Pandemie konfrontiert ist, sind die Erfolge in Bezug auf Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung zu würdigen. Insbesondere die Pandemiesituation und infrastrukturelle Herausforderungen zeigen jedoch auch, dass im Bereich urbaner Produktion vor allem kleine und mittlere Betriebe wie Zipper durch die Veränderung externer Rahmenbedingungen zu leiden haben.
Autorinnen: Kerstin Meyer und Sarah Wettig, Institut Arbeit und Technik (18.08.2020)
Quellen:
Interview mit Christian Zipper am 03.08.2020, geführt von Sonja Broj und Kerstin Mayer am Standort in Gelsenkirchen-Erle
1 Bäckerei Zipper (o. J. a): Über uns. Abgerufen von https://baeckerei-zipper.de/ueber-uns/
↩
2 Backwelt (22.07.2016): Bäckerei Zipper baut eine Kirche zur Backstube um. Abgerufen unter https://www.backwelt.de/newsview/baeckerei-zipper-baut-eine-kirche-zur-backstube-um.html
↩
3 Backnetz:eu (21.07.2016): Neue Bestimmung: Sankt Bonifatius wird Backstube. Abgerufen von https://www.backnetz.eu/neue-bestimmung-sankt-bonifatius-wird-backstube/
↩
4 Bäckerei Zipper (o. J. b): Filialen. Abgerufen von https://baeckerei-zipper.de/filialen/
↩
5 Rösterei Zipper (o. J.): Unsere Rösterei. Abgerufen von https://roesterei-zipper.de/
↩
6 WAZ (29.03.2018): Bäckerei Zipper investiert in Erle in die Energiewende https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen-buer/baeckerei-zipper-investiert-in-erle-in-die-energiewende-id213869651.html;
Klimabündnis Gelsenkirchen –Herten e.V. (2018): Innovation der Bäckerei Zipper erhält Solarpreis. Abgerufen von https://www.gelsenkirchen-herten.de/projekte/projekte-einzelansicht/innovation-der-baeckerei-zipper-erhaelt-solarpreis/
↩