Online Schuhreparatur „Shoedoc“ und „Vickermann & Stoya“ Schuhmanufaktur

Digitalisierung im Handwerk

Steckbrief

Merkurstraße 3-5, 76530 Baden-Baden

Typ Urbaner Produktion: Handwerksbetrieb

Produkte: Schuhreparatur, Maßschuhanfertigung, Lederwaren

Gründung: 2004

Gründer*innen: Matthias Vickermann und Martin Stoya

Rechtsform: Manufaktur „Vickermann & Stoya“ zunächst GbR, dann OHG und „Shoedoc“ GmbH

Beschäftigte: 7, davon 1 Auszubildener

Standort: Manufaktur auf der Einkaufsgasse Merkurstraße

Kontakt: Matthias Vickermann

service@shoedoc.de
Tel.: +49 7221 392401

Website: https://www.shoedoc.de/

Fotos (C) Vickermann und Stoya

Von Vickermann und Stoya zu Shodoc und Modum

Ausgangslage

Aus der Leidenschaft zum Handwerk entstand 2004 durch Matthias Vickermann und Martin Stoya die Schuhmanufaktur „Vickermann und Stoya“. In der Manufaktur in Baden-Baden in Baden-Württemberg werden neben Schuhreparaturen, Maßschuhe und Lederwaren wie Gelbbeutel und Etuis hergestellt.

 

Shoedoc GmbH

Um das Angebot von „Vickermann und Stoya“ auszuweiten, entwickelten die Gründer 2019 das Start-Up-Unternehmen Shoedoc GmbH. Dies ist eine Online-Plattform zur Schuhreparatur. Durch die neue Plattform Shoedoc ist es möglich Schuhreparaturen online zu beantragen und zu versenden. Somit konnte die Nachfrage nach Reparaturen und der Kundenstamm sich vergrößern. Kunden können online schnell und einfach zwischen Angeboten wie Schuhpflege, Schuhreparatur von Sohlen, Absätzen, Spitzen und Ecken oder dem Ausweiten von Schuhen wählen.

 

Handwerksberuf Schuster

Der Beruf des Schusters ist eine alte traditionelle Handwerkskunst, welche heute immer weniger ausgeübt wird. Durch die industrialisierte Massenproduktion von Schuhen tritt anstelle der Reparatur heute häufig der scheinbar günstigere Neukauf. „Vickermann und Stoya“ halten die Tätigkeit des Schusters durch ihren Betrieb und Online-Reparaturdienst am Leben. „Da viele Orte über keine Schuhmacherei mehr verfügen, haben wir uns entschlossen, das Thema Schuhreparatur online zu bringen,“ sagt Matthias Vickermann euphorisch.

 

Produktionsort

Nach der Ausbildung zum Steuerfachangestellten in Köln, begann Matthias Vickermann die Lehre zum Schuster in Baden-Baden. Weil er dort aufgrund der finanziellen Lage des Betriebs häufig kein Gehalt bekam, übernahm er aus der Not heraus die Nachfolge eines anderen Schusterbetriebs mit 35 qm in der Stephansstraße. Mit Martin Stoya, den er im vorherigen Betrieb kennenlernte, gründete er die GbR „Vickermann und Stoya“. Um sich finanziell über Wasser zu halten, fokussierten sie sich zunächst auf die Grunddienstleistung: der Reparatur. Nach und nach kamen Aufträge für Maßschuhe. Dadurch konnten sie in ein Gebäude in der Merkurstraße ziehen und als das das jetzige Ladenlokal in der Merkurstraße 5 frei wurde, fand nach der Kernsanierung der Umzug dorthin statt. Durch den Leerzug von Wohnungen, konnte sich der Betrieb über die Jahre hinweg im Gebäude schrittweise vergrößern. So fand auch ein Durchbruch zur Hausnummer 3 im EG statt. Die Räumlichkeiten von „Vickermann und Stoya“ bestehen aus zwei Kundensälen, Werkstätten und Aufenthaltsräumen. Die Wände der Werkstatt mit den Schleifmaschinen wurden durch die klassische Methode der Eierkartons als Schallschutz verkleidet. Die anderen Werkstätten sind mit Glaswänden verstehen, sodass die Kund*innen einen direkten Einblick erhalten. Die Mietsituation ist fair und langfristig gestaltet. Neben der Manufaktur, welche mit nun 400 qm die größten Räumlichkeiten auf der Merkurstraße besitzt, befinden sich dort Restaurants, Einzelhandel und weitere Handwerksbetriebe wie ein Friseur und eine Schneiderei. Die Merkurstraße ist eine Sackgasse mit gewisser Atmosphäre, in der sich die Ladenbesitzer*innen kennen. Baden-Baden bietet als Kur- und Tourismusort an der Landessgrenze zu Frankreich zusätzliche Vorteile für die Manufaktur. Ein Drittel des Umsatzes wird durch die Kundschaft aus dem Ausland generiert. Matthias Vickermanns Spruch lautet: „Wenn das Unternehmen nicht hier klappt, wo dann?“

 

Weitere Angebote 

Neben Schuhreparaturen, -pflege, Maßschuh- und Lederwarenanfertigungen bietet die Schuhmanufaktur Pflegekurse zur Schuhpflege sowie Führungen durch ihre Schuhmacherei an. Um außerdem den Erhalt von Handwerkberufen zu unterstützen und andere Menschen zu inspirieren, ist die Manufaktur Mitglied in verschiedenen Zusammenschlüssen von Handwerksbetrieben, wie zum Beispiel im Verband Deutsche Manufakturen e.V. Darüber hinaus engagiert sich Matthias Vickermann für den Einzelhandelsverein Baden-Baden Innenstadt e.V., im Unternehmerbeirat der Volksbank und in weiteren Projekten zur Digitalisierung im Handwerk (z.B. im Rahmen des CyberForums https://www.cyberforum.de/).

So kam es auch zur Beteiligung an der Gründung der Modum Shoe GmbH am 13.05.2020 in Hannover. In der Firma soll die Kundschaft selbst mittels einer App ihre Füße vermessen, wozu im zweiten Schritt eine Leiste 3D-gedruckt wird und auf dieser Basis vom Schuhmacher ein individueller Halbschuh erstellt wird (https://modum-shoes.com/). Im Jahr 2012 hat Vickermann&Stoya den Förderpreis für das junge Kunsthandwerk des Fördervereins für das Kunsthandwerk Baden-Württemberg e.V. und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, dotiert mit 3.000 €, erhalten.

 

Fazit

Vickermann & Stoya aus Baden-Baden sieht im ersten Moment aus wie eine traditionelle Schuhmacherei, hinter der Fassade steckt jedoch viel Kreativität, Engagement und die möglichst modernsten Kanäle der Digitalisierung. Das diese Investitionen lohnen, zeigt sich auch nun in den Zeiten der Covid-19-Pandemie: Es mussten keine staatlichen Hilfen beantragt werden. Die Strategie der Verwendung möglichst regionaler und nationaler Materialien (z.B. Leder aus Trier, Schuhkartons aus Hannover) geht auf. Der Betrieb gewinnt derzeit sogar Neukunden. Zudem wird darauf geachtet, dass aus jedem Stück Leder etwas hergestellt wird. Aus Reststoffen werden Etuis, Visitenkartenhalter oder Schlüsselanhänger. Ein Paar Maßschuhe hält etwa 20 Jahre und kann repariert werden. „Wir produzieren nichts auf Halde!“ Jede Anfertigung ist ein direkter Wunsch des/der Kunden/in. Allein in Deutschland werden jährlich 10.000 Tonnen Schuhe weggeworfen und durch neue ersetzt. Durch die Reparatur und qualitative Maßanfertigung erhalten Schuhe eine hohe Langlebigkeit, wodurch Rohstoffverbrauch und Müllproduktion durch Schuhe verringert werden können. Also warum nicht die Lieblingsschuhe reparieren lassen, statt wegzuwerfen?

 

Autorinnen: Kerstin Meyer & Santhiya Vanajanathan, Institut Arbeit und Technik (15.05.2020)

Quellen